Der Herr des Rings

Ein Porträt von Gernot Leistner

Nein, nicht er alleine war es. Der trotz seines großen Bekanntheitsgrades stets bescheiden gebliebene Gernot Leistner denkt immer an die Helfer, ohne die das Norisringrennen nie zu diesem Ruhm gelangt wäre. In Oeslau bei Coburg geboren und im oberpfälzischen Amberg aufgewachsen, hat Leistner schon von Kindesbeinen an eine ganz besondere Beziehung zum Motorsport gehabt.

Gernot Leistner

Im Alter von 14 Jahren fuhr er mit Freunden per Fahrrad zur Solitude und nach Bad Reichenhall, um sich dort Motorrad-Rennveranstaltungen anzusehen. Mit 17 Jahren erhielt er sein erstes eigenes Motorrad, eine 125er Ardie, und gewann auch prompt schon in diesem „zarten Alter” seine erste Goldmedaille bei der „Oberpfälzer Herbstfahrt”.
Der Vater hat Gernot Leistner und dessen Motorad zwar 1947 zum Norisring gefahren und somit den ersten Kontakt einer Beziehung hergestellt, die noch bis heute andauert, aber mit seinem Filius hatte er eigentlich ganz andere Pläne. Nach dem Abitur mußte er erst einmal die Beamteneinstellungsprüfung machen und das, obwohl er so gerne Ingenieur in der Motorradindustrie geworden wäre, aber für ein Technikum war im Hause Leistner kein Geld vorhanden. So begann die Karriere erst einmal beim Finanzamt Landshut, dauerte aber zum Glück nur drei Monate. „Das Motorrad war einfach meine Welt”, sagte sich Leistner und bewarb sich als Versuchs- und Werksfahrer bei Ardie. Dort wurde er auch prompt übernommen und blieb aufgrund sehr guter Ergebnisse bis 1955. Danach waren NSU, Zündapp, DKW und Hercules die weiteren Stationen, bis 1960 ein Unfall bei Heidelberg bei einem Lauf zur Deutschen Meisterschaft mit einem mehrfachen Knöchelbruch Teil eins der Laufbahn beendete.
In diese Zeit fiel auch der größte Erfolg des Motorradsportlers Gernot Leistner. 1957 wurde er als Mitglied der deutschen Nationalmannschaft der Geländefahrer ei den Internationalen Sixdays in der damaligen CSSR Weltmeister.
Und das bei einer der schwersten Prüfungen, die es jemals im Geländesport gab.

Nach dem erzwungenen Ende der Zweiradkarriere blieb der Wahl-Nürnberger aber dennoch dem aktiven Motorsport treu. Ab 1960 fuhr er zusammen mit Jochen Freiberger Rallyes, gewann 16 Goldmedaillen und errang neun Klassensiege. Auf einem Opel Kadett gelangen dem Duo sogar drei Gesamtsiege, darunter bei der „Winterfahrt Marktredwitz”. Aber 1964, bei der „Tour d’Europe“ mit 13 000 Kilometern und vier Übernachtungen („da sind wir aber kaum zum Schlafen gekommen, denn wir haben die ganz Nacht geschraubt”), beendete Leistner seine aktive Laufbahn, und das mit einer gehörigen Portion Wut im Bauch.
Mit ihrem Sechszylinder Rekord Coupe lagen sie in Führung, aber durch Manipulationen – das Reglement wurde mehrfach geändert – gewann schließlich ein Ford-Team (Sponsor der Veranstaltung war Ford!) und für die Nürnberger blieb nur der undankbare vierte Platz.
1962 übernahm er die Position des große Ansehen des Nürnberger Autorennens zum überwiegenden Teil dem immensen Engagement Leistners zu verdanken ist. Nürnberg wurde die Nummer eins der Sprintrennen für Sportwagen in Europa. In Stuttgart war Leistner einer der Mitbegründer der „Interserie”, der höchstdotierten Rennserie in Europa. Die Namen Lola, March, Porsche, McLaren und Ferrari mit ihren 1100 PS standen damals für Rennsport pur und lockten mehr Zuschauer an als die Formel 1. 1972 startete Leistner einen Neuanfang, der auch durch eine neue Strecke symbolisiert wurde.

Natürlich hat der Rennlei(s)t(n)er schon viele Motorsportveranstaltungen auf der Welt gesehen, aber seine Truppe, die mit ihm alljährlich das Norisringrennen veranstaltet, hält er für die beste.

„Es macht wahnsinnig Spaß, mit dem Team vom MCN zusammenzuarbeiten” bricht er eine Lanze für seine rührigen Mitarbeiter, die er neben der Mannschaft in Monte Carlo zum besten Organisationsteam in Europa hält. Daß das keine leeren Phrasen sind, beweist jedes Jahr das letzte Wochenende im Juni, wenn an der Steintribüne wieder die Startflagge zu den „200 Meilen” fällt. Die Plätze sind immer ausverkauft.
Leistner und sein Team haben es immer wieder verstanden die Massen zum Norisring zu locken. So auch im Jubiläumsjahr 1997. Nach dem „Tod” der Tourenwagenserie ITC gastierte der Super-Tourenwagencup erstmals in der Noris,
der jüngste Coup des Mannes, der heuer das 40. Rennen als Verantwortlicher leitet.

Darüber hinaus ist Leistner seit 1978 der 1. Vorsitzende des MCN und seit 1990 auch noch Sportleiter des ADAC Nordbayern. Sein Wirken hat der Nürnberger Motorsportveranstaltung einen Platz in den weltweit besten Rennen verschafft. Wie vorhin schon erwähnt, Leistner mag es nicht, wenn das Verdienst ihm allein auf die Schultern gelegt wird. Immer wieder betont er, daß dieser Erfolg dem MCN und allen Helfern zu verdanken ist. Leistners Arbeit wird inzwischen in allen Ländern anerkannt, in denen Motorsport betrieben wird. Beobachter kommen aus allen Kontinenten, um zu sehen, wie es die Nürnberger schaffen, jedes Jahr volle Tribünen zu haben und einen reibungslosen Ablauf zu organisieren. Sogar aus China war schon eine Delegation am Norisring und hat still und fleißig zugeschaut. Erst im Monat März hat Bundespräsident Roman Herzog Leistner das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen, sichtbares Zeichen eines über Jahrzehnte andauernden Engagements für den Motorsport.
So dürfen die Motorsportfans in Deutschland auch in Zukunft davon ausgehen, daß ihnen in Nürnberg weiter Rennsport vom Feinsten geboten wird. Dafür sorgt Gernot Leistner mit einer Garantie ohne Verfallsdatum. Die „200 Meilen” sind ein Teil von Leistner und er ist ein Teil von ihnen.

Und was zusammen gehört, soll man nicht trennen. Auch nicht im Motorsport.

(ts)