Ewig junges

Motorsport-Spektakel

Der Norisring schreibt am Wochenende seine 67. Fortsetzung. Rennserien kamen und gingen, Autos lösten die Motorräder ab, doch Heinz Fröhlich war immer da. 1954 trat der Motocross-Fahrer dem Motor Sport Club Nürnberg (MCN) bei und hatte viele Funktionen am Norisring. Für uns blickt er zurück — und nach vorn.

Ach, er könnte ein Buch schreiben, ein kleines, sagt Heinz Fröhlich. Das wäre schön. Aber irgendwie auch schade. Denn dann würden alle im stillen Kämmerlein lesen, was der Motorsportfan so wunderbar anschaulich erzählen kann. Und vielleicht würde er dann genau diese Anekdote, jene Schmonzette vergessen. All die Geschichten eben, die man erlebt, wenn man seit 55 Jahren den Motorsport in Nürnberg maßgeblich mitgestaltet.

Die Zeitreise beginnt in jenen Jahren, in denen die Fahrer sich noch im Dutzendteich wuschen und Fröhlich mit Helmut Schlosser liebevoll gemalte Hinweistafeln im Nürnberger Stadtgebiet verteilte, um den Fans den Weg zu weisen – heute macht das ein Verkehrsleitsystem. Es waren jene Jahre, in denen der MCN weit vor den „Lange Nacht der Museen/Wissenschaft/Möbelhäuser“-Events auf die Idee gekommen war, die Zuschauer bis spätabends hinein bei Laune zu halten.

Auf dem Stahlseil
Autobatterien lieferten den Strom für die Autoscheinwerfer an den Nachtkassen, doch die Technik hatte damals noch ihre Tücken: Als ein Kunst-Motorradfahrer auf einem Stahlseil zur Steintribüne hochfuhr, war die Elektrizität dermaßen überfordert, dass unterwegs der Kohlenstabscheinwerfer erlosch.

Schrecksekunde, hektisches Diskutieren, und dann die Lösung: Mit ihren Feuerzeugen wiesen die Zuschauer auf der Tribüne dem Artisten den Rest des Weges. Oder die hübsche Episode mit dem Bierwagen: Merkwürdig leicht rumpelte der Lkw auf das Gelände, Fröhlich lupfte misstrauisch die Plane und entdeckte statt Bierfässern Trittbrettfahrer, die sich so den Eintritt sparen wollten.

1947 fand das erste Rennen auf dem Norisring statt, bis 1976 waren Motorräder die Hauptattraktion, mit dem Niedergang der Zweirad-Industrie in Nürnberg sattelten die Organisatoren auf vier Räder um. Fröhlich, der 1973 dritter Vorsitzender beim MCN wurde, weiß, dass viele Zweirad-Fans eine Renaissance herbeisehnen, doch noch schrecken die großen Sicherheitsmaßnahmen ab, müsste jede Leitplanke, jede Kurve aufwendig mit Strohballen ausgepolstert werden.

Wie riskant der Sport ist, war trotz aller Vorkehrungen auch in Nürnberg zu erfahren: Am 11. Juli 1971 starb im Hauptrennen der Mexikaner Pedro Rodriguez nach einer fatalen Kollision seines Ferrari 512, heute erinnert ein Gedenkstein am Unglücksort an den Publikumsliebling. Eine schwarze Stunde für alle Beteiligten, doch Fröhlich hat nie daran gezweifelt, dass es weitergeht. Rennfahrer zu sein – das bedeutet auch immer, sich ans Limit zu begeben, die Grenzen des Risikos auszuloten. Ein tödlicher Zuschauerunfall hätte möglicherweise die Zukunft des Norisring-Rennens mehr gefährdet, entsprechend groß waren und sind die Anstrengungen, die Gefahr so klein wie möglich zu halten.

Vor einem Jahr hat Fröhlich auch seinen letzten Posten beim MCN aufgegeben. „Lass die jungen Leute ran und schenk ihnen deine Erfahrung“, lautet das Credo des 75-Jährigen, der unter anderem das Ehrenzeichen des Bayerischen Ministerpräsidenten für Verdienste im Ehrenamt verliehen bekam.

Mal ehrlich, Herr Fröhlich: Grid-Girls im hautengen Outfit, Popstars auf der Bühne, Promis am Lenkrad, Dauerberieselung aus den Lautsprechern – ist das überhaupt noch Ihr Norisring? „Ja, das ist er. Natürlich hat sich viel verändert, all die Aufbauten, die Struktur, das Fahrerlager“, sagt er, „aber die Strecke, die Atmosphäre, das ist immer noch der Norisring von 1947.“

Und dann fällt ihm ein, dass er noch gar nicht von den Hubschrauberverfolgungsfahrten, den Fuchsjagden, den unterschiedlichen Streckenverläufen erzählt hat. Vielleicht sollte er doch sein Buch schreiben. Aber klein wird es bestimmt nicht.

Ulrike Assmann, Nürnberger Nachrichten