Ein Neustart auf vier Rädern

1950 Das Preisausschreiben, an dem sich die Motorsportfans beteiligen, hat nur ein Ziel: Die Rennstrecke rund um die Steintribüne am Dutzendteich soll einen Namen bekommen. Die Wahl fällt auf „Norisring“. Ein Name, der schlicht und griffig ist.

Plakat für das erste Rennen

Damals gehen vor allem Motorräder an den Start.

Bis heute gilt er in Europa als das Synonym für Rennsport und wird in einem Atemzug mit dem Nürburg- und Hockenheimring genannt. Der Erfinder darf 1950 als Preis für seinen Geistesblitz ein Kleinkraftrad mit nach Hause nehmen.

1950 Das Preisausschreiben, an dem sich die Motorsportfans beteiligen, hat nur ein Ziel: Die Rennstrecke rund um die Steintribüne am Dutzendteich soll einen Namen bekommen. Die Wahl fällt auf „Norisring“. Ein Name, der schlicht und griffig ist. Bis heute gilt er in Europa als das Synonym für Rennsport und wird in einem Atemzug mit dem Nürburg- und Hockenheimring genannt. Der Erfinder darf 1950 als Preis für seinen Geistesblitz ein Kleinkraftrad mit nach Hause nehmen.

Neustart am Norisring: Nachdem Ende der 50er Jahre die Motoren schweigen, starten die schnellen Flitzer, jetzt vor allem Autos, in den 60er Jahren wieder durch.

Motorräder sind es ja auch, die seit 1947 bei den ersten Rennen am Zeppelinfeld ihre Runden drehen. Die Gründungsväter des Motorsportclubs Nürnberg MCN haben es allen Widrigkeiten zum Trotz geschafft, den Nürnbergern zwei Jahre nach Kriegsende rasante Zerstreuung zu bieten. Die Stadt ist zerbombt, Nahrungsmittel gibt es nur gegen Bezugsschein — Benzin ist Mangelware.

Doch mit Unterstützung der amerikanischen Besatzungsmacht findet dennoch das erste Motorradrennen auf deutschem Boden statt. Die US-Streitkräfte übernehmen quasi die Rolle des Sponsors: Sie stellen Sprit für die Maschinen und Verpflegung für die Besucher. Außerdem geben sie auf Hitlers Aufmarsch-Arena den Rennparcours frei und sorgen dafür, dass auf dem Gelände eine neue Ära anbricht. Statt SA, SS und Wehrmacht geben jetzt jaulende Motoren den Ton an.

Die Noris war damals — obwohl durch den Krieg geschwächt — das Zentrum der deutschen Zweiradindustrie. Herkules, Zündapp, Triumph, Ardie und Victoria waren hier zu Hause. Die Motorradrennen mausern sich zum internationalen Ereignis. Doch die Krise in der Zweiradindustrie, die mit der Sehnsucht der Deutschen nach einem eigenen Auto zusammenhängt, macht der Euphorie bald ein Ende. 1958 und 1959 verzichtet man sogar ganz auf Rennen

Doch der Motorsportclub Nürnberg wagt einen Neuanfang — diesmal mit einem Schwerpunkt auf vier Rädern. Am 4. Juli 1960 gehen beim Norisring erstmals nur Autos an den Start. Zehntausende säumen trotz des unfreundlichen Wetters mit Kind und Kegel die Strecke unterhalb der Steintribüne. Ihre Begeisterung sorgt für eine so gute Stimmung, wie man sie lange nicht erlebt hat. „Nürnberg hat wieder sein großes motorsportliches Ereignis! Das zum Leben erweckte Norisring-Rennen war ein voller Erfolg“, heißt es im Sportteil der Nürnberger Nachrichten euphorisch.

Akustischer und sportlicher Höhepunkt sind die Junior-Rennen. Wild aufheulend rasen die Wagen nach dem Start auf die Haarnadelkurve zu, schlingern in die Gegengerade und jagen in die nächste Runde. Mehrfach reißt es die Zuschauer aus den Sitzen, als Teilnehmer ins Schleudern geraten, sich einer gar um die eigene Achse dreht. Immerhin sind sie schon 1960 mit bis zu 160 Stundenkilometern unterwegs.

In der Epoche der Sportwagen sind aber auch immer wieder Motorräder bei Rennen vertreten. In beiden Disziplinen finden Finalläufe zu deutschen Meisterschaften und zu europäischen Titelkämpfen statt. 1976 geben dann die Zweiräder ihre Abschiedsvorstellung an der Steintribüne. In den folgenden Jahren locken bis zu 1000 PS-starke Sportwagen vom Typ eines Porsche 917 oder McLaren die Motorradfans zu Tausenden an den Norisring.

Rennleiter Gernot Leistner hat die Interserie begründet, die 1971 ihre Premiere in Nürnberg gibt. Es folgt die deutsche Rennsportmeisterschaft, bei der Fahrer wie „Striezel“ Stuck nach Franken kommen. Ein Höhepunkt in der Geschichte des Norisring-Rennens sind die Jahre 1986 und 1987. Sportwagen-Prototypen kämpfen vor über 100 000 Zuschauern sogar zweimal um Punkte für die Weltmeisterschaft. Als Porsche seinen Rückzug bekanntgibt, wird die Tourenwagen-Ära eingeleitet, die nicht weniger Zugkraft ausübt.

Heute sind die Autorennen am Norisring mehr denn je ein publikumsträchtiges Spektakel. Der Stadtkurs hat sich zu einer der ersten Adressen unter Deutschlands Rennstrecken entwickelt, zu der Motorsportfreunde aus ganz Europa pilgern. Auch an diesem Wochenende, wenn die PS-starken Flitzer wieder ihre rasanten Runden drehen, werden weit über 100 000 Zuschauer in heißem Sonnenschein und ohrenbetäubendem Dröhnen ausharren, um ihre Idole siegen zu sehen.

ALEXANDRA VOIGT, Sonntagsblitz