Es steht und fällt alles

Mit dem Team

Als Streckenposten hatte er einst am Norisring begonnen, seit 2005 ist Wolfgang Schlosser für die gesamte Streckensicherheit verantwortlich.

Wolfgang Schlosser hat in seiner Zeit als Leiter der Streckensicherung am Norisring ja schon allerhand erlebt: Geplatzte Reifen, defekte Leitplanken, brennende Fahrzeuge. Doch dass er selbst mal so kurz vor dem Hauptrennen seinen Posten verlassen muss, das hat es in all den Jahren noch nie gegeben.

Ein Mückenstich am Fuß hatte sich so sehr entzündet, dass der 51-Jährige eine Dreiviertelstunde vor dem Hauptrennen der DTM am Sonntag ins Krankenhaus eingeliefert werden musste. Schlosser befindet sich inzwischen auf dem Weg der Besserung, wie die NZ gestern Abend erfuhr. Doch es ist wohl das erste Mal in 40 Jahren, dass der begeisterte Motorsportfan sich das DTM-Rennen nicht live anschauen konnte.

Die Leidenschaft für den Motorsport hat Wolfgang Schlosser von seinem Vater Helmut geerbt. Der war ebenfalls viele Jahrzehnte auf dem Norisring für die Sicherheit zuständig. „Mein Vater hat mich schon als Elfjähriger immer mit auf die Strecke genommen“, verriet Schlosser vor wenigen Tagen im Gespräch mit der NZ.

Mit 15 durfte er erstmals als Streckenposten ran, ein nicht immer ganz ungefährlicher Job, wie er am eigenen Leib erfahren musste. An eine besonders brenzlige Situation erinnert sich Schlosser noch gut zurück. Er war gerade 18 Jahre alt, war als Streckenposten in der Grundigkehre, der heutigen Alpha-Kurve, eingesetzt, als der Rennfahrer Hans Heyer mit seinem Lancia Delta genau auf ihn und seinen Cousin, der dort mit ihm eingeteilt war, zuraste. „Häufig ist man ja in solchen Momenten wie versteinert, aber wir haben zum Glück schnell reagiert und sind mit einem Hechtsprung zur Seite gesprungen“, erzählt Schlosser. Als besonders kurios empfand er die Reaktion des Fahrer, der aus dem Auto kletterte und seinen Schutzhelm erstmal gegen einen Tirolerhut tauschte. „Da dachte ich im ersten Moment nur, spinn ich jetzt? Na, der hat Sorgen!“ Seit 2005 ist der 51-Jährige nun der Leiter der Streckensicherung. Während der Rennen sieht man den Nürnberger mit den schulterlangen grauen Haaren häufig auf einer kleinen Anhöhe kurz unweit des Start-Ziel-Bereichs stehen, den Blick konzentriert auf das Renngeschehen gerichtet, die schwarz-weiße Signalfahne in den Händen.

Schlosser ist jedoch nicht allein auf weiter Flur. „Es steht und fällt alles mit dem Team drum herum“, sagt er. Rund 250 Ehrenamtliche sind an den drei Norisring-Tagen allein in der Streckensicherung tätig, die zusätzlichen Experten wie Notärzte, Feuerwehr oder Polizei noch gar nicht mit eingerechnet. Sie müssen wie ein Räderwerk funktionieren, müssen auf jedes Detail achten: auf Veränderungen im Asphalt, auf lose Teile, Öl oder Kühlwasser auf der Fahrbahn, oder auf sich ankündigenden Regen.

Die intensive Vorbereitung auf das Norisring-Wochenende beginnt für Schlosser stets zehn Tage vorher. Dann nimmt sich der Unternehmer eine Auszeit vom Alltag als Inhaber eines großen Getränkefachhandels.

An den Renntagen selbst beginnt sein Tag um fünf Uhr morgens mit einem ersten Streckenrundgang. „Da kontrolliere ich, dass über Nacht nichts passiert ist, dass keine Zäune beschädigt wurden oder Zuschauer sich in der Sperrzone befinden“, erklärt Schlosser. Was das anbelangt, hat er schon einiges erlebt. Es sei etwa schon vorgekommen, dass Leute über Nacht einfach Leitplanken abgeschraubt haben, um ihr Wohnmobil zu platzieren. Bevor es endgültig losgehen kann, erfolgt die offizielle Streckenabnahme und der Postencheck. „Und nach den Rennen am Abend müssen dann noch die notwendigen Reparaturarbeiten durchgeführt werden“, erzählt Schlosser.

Dass er den diesjährigen Norisring nicht bis zum Ende miterleben konnte, wurmt ihn sehr. Ein paar Tage muss sich Schlosser noch auskurieren. Danach, davon ist auszugehen, wird er sich gedanklich schon auf den Norisring 2012 einstimmen.

Stephanie Händel, Nürnberger Zeitung