Die Stunde der Autogramm­jäger

Für einen eingeschworener Kreis von Unterschriftensammlern ist das Rennwochenende am Norisring ein absolutes Muss. Der richtige Zeitpunkt ist wichtig, sagt Wolf Gruhle. Und natürlich der richtige Ort. „Aber irgendwann hat man dafür einen Riecher“. So wie jetzt.

Fans und Fahrer kommen sich auf dem Norisring nahe — genau das Richtige für Autogrammjäger. DTM-Pilot Ralf Schumacher erfüllt die Wünsche nach seiner Unterschrift gerne.

Die Motoren der DTM-Wagen auf der Rennstrecke sind seit ein paar Sekunden verstummt, das freie Training beendet. Zielstrebig geht Gruhle mit seinem Sohn Andreas zur Boxengasse, die dicke Mappe mit den Fotos von Rennfahrern und ihren Autos griffbereit. Und dann kommen sie. Erst Ralf Schuhmacher, dann David Coulthard und auf dem Norisring schlägt die Stunde der Autogrammjäger. Oder besser: der Profis unter den Sammlern.

Auf diesen Unterschied legen die Gruhles genau so Wert wie Fridolin, der nicht anders genannt werden möchte. „Wenn die anderen den Namen lesen, wissen sowieso alle, wer gemeint ist“. Also die zehn bis zwanzig Begeisterten, die wie er oder die Gruhles seit Jahren und Jahrzehnten regelmäßig Hunderte Kilometer quer durch die Republik oder auch bis nach Belgien, Italien oder Spanien fahren, um von den Besten unter den Motorsportlern eine Signatur zu ergattern.

Sie alle legen Wert darauf, das Autogramm persönlich zu bekommen und nicht in irgendeiner Internetbörse ersteigert zu haben. Und natürlich können sie alle Geschichten zu den Unterschriften erzählen.

So wie Fridolin von seinen regelmäßigen Telefonaten mit dem Opa von Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel, den er auf dem Hockenheimring kennengelernt hat. Oder wie Andreas Schreiter, der an diesem Tag aus Annaberg im Erzgebirge angereist ist. 1980 hat er mit der Autogrammjagd angefangen. Einfach so, „aus Begeisterung für den Motorsport“. Sein erster Fang? Eine Unterschrift von Motorradfahrer-Legende Toni Mang, ergattert bei einem Rennen in Brno (Brünn) in Tschechien. „Dahin durften wir ja reisen“. Danach schickt er dann Briefe mit Autogrammwünschen in den Westen.

Manche werden beantwortet, wie von Niki Lauda oder auch von Juan Manuel Fangio. Von anderen bekam er nie eine Karte zurück, was aus der Sicht von Schreiter aber in erster Linie an DDR-Zoll oder Stasi gelegen haben dürfte. „Da gab es ja auch genug Motorsportbegeisterte, und die werden das Autogramm dann wohl für sich eingesteckt haben“.

Trotzdem hat sich schon vor dem Mauerfall einiges angesammelt. Und danach sowieso. An die 20000 Unterschriften hat er Zuhause, einsortiert in rund 120 dicke Ordner. Natürlich hat man irgendwann alles ergattert. Aber es wird trotzdem weitergemacht. Eine Unterschrift auf einem Portraitfoto, eine auf dem Bild mit dem Wagen vom Vorjahr, eine auf dem Bild vom aktuellen Boliden.

Ganz nah dran

Und es geht natürlich auch um den kurzen Plausch, um den kurzen Moment der Nähe mit den Stars, „die man ja sonst meistens nur mit einem Helm auf dem Kopf sieht“, sagt Schreiter. Am Norisring klappt das noch gut, findet Andreas Kus aus Hamburg. Normalerweise. Doch diesmal sind zu viele „Gelegenheits-Autogrammjäger“ vor Ort, die Ralf Schuhmacher sofort belagern. Kus hat schließlich trotzdem noch Glück. Aber zufrieden ist er dann doch nicht mit der Signatur. Wenn alle so drängeln, „schmiert der Ralf seine Unterschrift immer nur schnell hin. Das sieht doch nicht gut aus“.

Arno Stoffels, Sonntagsblitz