Auf Vettels Spuren

Sieht aus wie Formel 1, ist aber die kleine Schwester Formel 3, die immerhin große Formel-1-Fahrer wie Sebastian Vettel oder Lewis Hamilton hervorgebracht hat.

Die Formel-3 Euroserie ist in diesem Jahr klein — aber ebenso fein. Zwar nur mit 14 Autos auf dem Norisring am Start, dennoch repräsentieren diese jungen Piloten mit ihren Teams derzeit fahrerisch die Spitze aller europäischer Nachwuchsformeln. Zwei Deutsche mischen ganz vorne mit.

Das Starterfeld war wie immer international, doch die Formel-3-Rennen 2011 auf dem Norisring waren stark fränkisch-bayerisch geprägt. Marco Wittmann (21) aus Markt Erlbach, bereits in seinem dritten Jahr in der Formel-3-Euroserie unterwegs, hatte mit zwei Siegen und einem dritten Platz sein bislang erfolgreichstes Heimspiel. Und Daniel Abt, der 18 Jahre alte Neuling aus Kempten im Allgäu, demonstrierte in seinem ersten Lehrjahr eindrucksvoll sein enormes Talent, allerdings agiert er manchmal noch zu ungestüm.

Für Wittmann war es ein Wochenende ganz nach seinem Geschmack. Zweimal Trainingsschnellster, erster Norisring-Sieg am Samstag, der zweite folgte gestern. Und wäre er im ersten Rennen am Samstag wegen angeblich zu schnellen Fahrens unter gelber Flagge nicht nachträglich — wie acht weitere Piloten — mit einer 30-Sekunden- Strafe bedacht worden, hätte er ein turbulentes Rennen mit wechselnden Streckenverhältnissen und seiner furiosen Aufholjagd nicht als Dritter, sondern als Zweiter beenden können. In der Gesamtwertung schob er sich trotzdem auf Rang zwei hinter seinem spanischen Teamkollegen Roberto Merhi vor.

Auch Daniel Abt und Doppelsieger Marco Wittmann träumen von einer ähnlichen Karriere, allen Hürden zum Trotz.

Für Wittmann ist es enorm wichtig, nach seinem Vize-Titel jetzt den Europameister- Titel einzufahren. Das weiß der Mittelfranke: „Klar, wenn man weiterkommen will, zählt nur der Erfolg. Und nicht irgendwelche Antworten, warum es nicht geklappt hat — unabhängig davon, ob ich Schuld hatte, das Team, oder die Technik. Nach drei Jahren in der Euroserie musst du den Titel haben.“

Volkswagen und VW Sportchef Kris Nissen setzen zwar sehr auf den talentierten Mittelfranken. „Trotzdem“, gibt der 21-Jährige zu, „schaut alles nur nach außen rosig aus. Mir fehlt immer noch Geld, um diese Saison komplett finanzieren zu können.“ Pro Saison, inklusive der vier FIA-World-Trophy-Rennen (unter anderem in Macau) zur inoffiziellen Formel-3-WM, muss ein Jahresetat von 800000 Euro einkalkuliert werden, das Restgeld während der Saison aufzutreiben, ist schwierig, sehr schwierig. Wittmann arbeitet wochentags als gelernter Karosseriebauer in der Firma seines Vaters in Fürth, steht heute morgen also wieder ab acht Uhr in der Werkstatt. Abends Sporttraining und an den Wochenenden meist in Sachen Motorsport unterwegs — da bleibt kaum Zeit für Sponsorensuche.

Traditionsreicher Name

Finanzielle Sorgen dieser Art kennt Daniel Abt noch nicht. Der erst 18-Jährige ist allerdings nur auf dem Papier ein Greenhorn im internationalen Formel-3-Business, denn was der junge Allgäuer erreicht hat, das deutet schon heute auf eine vielversprechende Karriere mit — vielleicht — dem großem Endziel „Formel 1“ hin: Mit 16 Jahren als jüngster Pilot im Starterfeld ADAC Formel Master Gewinner 2009. Mit 17 Jahren Vize-Meister im nationalen ATS-Formel- 3-Cup und nun Aufstieg in die europäische Formel-3-Top-Serie.

Abt aus Kempten — das ist ein Name mit großer Motorsport-Tradition. Johann Abt, der Großvater, war in den 60er und 70er Jahren erfolgreicher Motorrad- und Tourenwagenrennfahrer, Onkel Christian bekannter Formel-3- und DTM-Pilot, Vater Hans-Jürgen ist seit Jahren der Teamchef von Abt Sportsline in der DTM und mit Bruder Christian Besitzer eines großen Autohauses und Tuning-Betriebes in Kempten. Klar, dass der Junior den Rennfahrer-Bazillus schon frühzeitig in die Wiege gelegt bekam und mit sieben Jahren mit dem Kartsport begann.

Daraus entwickelte sich ein junger, überaus talentierter Nachwuchspilot, vielleicht sogar ein möglicher Sebastian- Vettel-Nachfolger. Der „junge Abt“ ist nicht nur sehr schnell, sondern auch sympathisch, intelligent und weiß sich gut zu verkaufen. „Ich glaube schon“, gibt er selbst zu, „durch das motorsportbedingte, sehr frühe Abnabeln vom Elternhaus und die vielen Reisen sehr frühzeitig sehr selbstständig geworden zu sein.“

Allerdings muss er auch noch einiges lernen. Vor allem eines: Geduld. So wie letztes Jahr, als er bei seinem Debüt auf dem Stadtkurs von Macau die gesamte Formel-3-Weltelite düpierte — bis er in Führung liegend zu viel riskierte und auf dem sehr selektiven Stadtkurs heftig in eine Mauer einschlug.

Geduld lautete auch die Lektion am Norisring. Im ersten Rennen am Samstag kollidierte er mit dem führenden Laurens Vanthoor und musste mit abgerissenem Rad aufgeben. Im zweiten Rennen am Samstag schubste er den Sieger des ersten Rennens, Nigel Melker, von der Bahn und bekam dafür eine 30-Sekunden-Strafe aufgebrummt. Gestern wollte er „nichts anbrennen lassen“, prompt wurde er Dritter. Um solche Erfahrungen zu sammeln, ist das erste Lehrjahr in der Formel-3-Euroserie da. Auch für ein Talent wie Daniel Abt.

Volker Figura, Nürnberger Nachrichten